Endlich wieder Schule

Am Montag hat auch im Seetal die Schule wieder begonnen. Neben der Wiedersehensfreude stand die Umsetzung der Coronamassnahmen im Zentrum. Der «Seetaler Bote» hat den speziellen Schulstart in Ermensee und Hochdorf besucht.

Das Schulhaus Sagen in Hochdorf muss auf diesem Weg betreten werden. Foto cb
Jonathan Furrer

Montagmorgen, 8 Uhr, Lehrerin Evelyne Winter begrüsst vor dem Schulhaus Ermensee ihre 5.-Klässler. «Ich freue mich mega, euch wieder zu sehen – und dass ihr gesund seid», sagt sie zu den im Kreis versammelten, knapp 20 Schützlingen. Nach fast zwei Monaten Fernunterricht steht als Erstes eine Doppelstunde Turnen auf dem Programm. Weil nach wie vor gilt, möglichst Abstand zu halten, findet der Sportunterricht draussen statt. Die Schüler ziehen sich in zwei Gruppen um. «Das nächste Mal dürft ihr in den Sportkleidern in die Schule kommen.» Auf dem Platz gehts zum Einwärmen, vier Runden joggen. «Ihr dürft zu zweit rennen, ihr habt euch sicher viel zu erzählen», sagt Lehrerin Winter.

Den meisten Schülern gefällts, wieder in der Schule zu sein. «Am meisten freuen wir uns, dass wir unsere Freunde sehen können», sagen zum Beispiel Felix (10 Jahre) und Linus (11). In den letzten Wochen haben sich die beiden nur in der virtuellen Welt getroffen, nämlich beim Playstation spielen. Auch für Nino (10) und Lionel (11) ist es wichtig, dass sie ihre Freunde wiedersehen können. Homeschooling sei schon etwas «komisch» gewesen, trotzdem hätten sie «auch zuhause viel gelernt». Bei einem Mädchen hält sich die Freude über den Schulstart in Grenzen. «Weil ich halt nicht so gerne in die Schule gehe.» Ein anderes Mädchen ist besorgt, dass man die Abstände nicht einhalten kann und sich ansteckt. Lehrerin Evelyne Winter betont, dass es weiterhin wichtig ist, Distanz zu halten und regelmässig die Hände zu waschen. «Aber klar können wir es im Unterricht nicht immer einhalten, sonst bräuchten wir grössere Schulzimmer oder weniger Schüler. Wir geben aber unser Bestes», beruhigt die Lehrerin ihre Klasse.

Plexiglasscheiben im Lehrerzimmer
Gemäss Schulleiterin Eva Zihlmann sind am Montag alle rund 90 Ermenseer Schülerinnen und Schüler zum Unterricht erschienen. Grundsätzlich halte man sich an das vom Kanton vorgegebene Schutzkonzept. «Dieses hat uns auch bei Anrufen besorgter Eltern geholfen.» Das Konzept lasse den Schulen einen gewissen Interpretationsspielraum. Auch in Ermensee müssen die Klassen die Pausen getrennt verbringen. Wie das umgesetzt wird, ist der Schule überlassen. «Zum Glück gibt es hier vor jedem Schulzimmer einen recht grossen Aussenbereich. Dort verbringen die Kinder die Pause.» Einmal pro Woche darf zudem jede Klasse den grossen Pausenplatz nutzen. Als weitere Massnahme ist in der Turnhalle nur jede zweite Dusche in Betrieb. «An einzelnen Orten sind zudem mobile Plexiglasscheiben aufgestellt, zum Beispiel im eher engen Leh-rerzimmer», so Zihlmann.  «Wir schauen nun, wie sich die Massnahmen bewähren und passen sie bei Bedarf an.»

Klassenwechsel: Die zwölf 6.-Klässlerinnen und -Klässler von Lehrerin Corinne Küttel sind noch etwas «kribbelig». Um «herunterzufahren», reden  die Schüler darüber, wie sie die letzten Wochen erlebt haben und was ihre Wünsche sind. Ein Bub erzählt, er sei viel Fischen gegangen. Zuhause Schule machen habe ihm nicht so gefallen. Warum? «Ich mache die Hausaufgaben lieber in der Schule.» Er wünscht sich, Versteckis zu spielen. «Kein Problem, das ist Corona-tauglich», sagt Corinne Küttel. Ein anderer Junge hat zuhause viel auf dem Landwirtschaftsbetrieb mitgeholfen, unter anderem beim Heuen. Er wünscht sich, dass Corona endlich vorbei ist. «Dann könnten wir wieder Fussball spielen!»

Digitaler Schub wegen Corona
Positiv erwähnen die Schüler «Learning View», eine digitale Plattform, auf welcher sie Aufgaben lösen und miteinander und mit der Lehrerin in Kontakt stehen können. Die Schüler können Diktate abhören, Musik-Rhythmen klatschen und aufnehmen oder Fotos hochladen. Wegen Corona sei es in der Schule zu einem digitalen Schub gekommen, sagt Corinne Küttel. «Es läuft gut mit der Plattform, wir wollen sie weiterhin nutzen.» In den vergangenen Wochen habe sie mit der Klasse hauptsächlich Unterrichtsstoff repetiert, neue Themen anzufangen sei im Fern-unterricht schwierig. Corinne Küttel ist aber zuversichtlich, dass sie in den Wochen bis zu den Sommerferien die wichtigsten Unterrichtsziele erreicht.

Nach einer kurzen Pause beginnen die 6.-Klässler den regulären Unterricht; Mathe, Bruchrechnen. «Oje», stöhnen einige Schüler. Der Alltag hat sie schon fast wieder.

Waschstrasse im Schulhaus Sagen
Auch in Hochdorf begann am Montag wieder der Schulalltag – wobei Alltag die Sache nicht wirklich trifft. Die Lehrpersonen haben gemeinsam mit Sagen-Schulleiter Tobias Binz das Schulhaus komplett neu organisiert. Der Eingang führt alle Schülerinnen und Schüler zunächst in den Untergrund zu einer Händewaschanlage, an der drei Personen gleichzeitig sich die Hände waschen können. Dieses Prozedere muss vor jedem Betreten des Schulhauses  durchlaufen werden, auch nach den Pausen. Die Ausgänge sind unterteilt: Erste Sek nach links, zweite und dritte nach rechts, wobei die Klassen zeitlich gestaffelt in die Pausen entlassen werden. Der Knackpunkt: es gibt nur eine Treppe. Social Distancing ist aber so oder so reines Wunschdenken, wie ein Augenschein vor Ort zeigt und auch der Rektor der Hochdorfer Schulen, Daniel Lang, bestätigt. «Wir versuchen so gut wie möglich alle zu schützen, aber klar kann eine ganze Klasse in ihrem Schulraum nicht wirklich auf Distanz gehen.» Die ersten zwei Lektionen waren am Montag der Organisation, den neuen Regeln, aber auch den sozialen Themen gewidmet. «Es gibt natürlich viele Fragen. Einzelne haben auch Angst. Darauf möchten wir eingehen», so Binz.

Lehrpersonen, die einer Risikogruppe angehören, würden zusätzlich durch Plexiglasscheiben geschützt oder dem Unterricht fernbleiben. «Das betrifft aber zum Glück nur sehr wenige», so der Rektor. Auch müssen nur ein paar wenige Schülerinnen und Schüler, die mit einer Person der Risikogruppe zusammenleben, weiterhin zuhause bleiben.

Die Massnahmen betreffen auch die Didaktik, also die Unterrichtsplanung sowie die Methoden, wie der Schulleiter erklärt. Trotz aller Bemühungen und Massnahmen bleibe dieses etwas mulmige Gefühl, sagt Lang. «Es braucht nun eine gewisse Zeit, bis alles angelaufen ist und sich die Abläufe eingespielt haben.» Im Sagen werden die Regeln, welche gut sichtbar angebracht sind, kontrolliert, man setze aber vor allem auf Selbstverantwortung, so Binz. «Wir haben festgestellt, dass die Schülerinnen und Schüler zuhause sehr gut und mit einer hohen Selbstverantwortung gearbeitet haben. Nun wollen wir diesen Schwung mitnehmen in den geregelten Präsenzunterricht.»

Auch die Primarschülerinnen und -schüler der Schulhäuser Arena und Zentral mussten zunächst neue Abläufe kennenlernen. So wurden zum Beispiel den Klassen Eingänge zugewiesen, die sie benützen müssen. Dies, um Gedränge zu vermeiden, wie Schulleiterin Mary Trottmann erklärt. Für die Pausen können die Lehrpersonen auf viel Platz zurückgreifen. «Dieser wurde in mehrere Rayons unterteilt und ebenfalls den Klassen zugewiesen», so Trottmann, wobei die Klassen dann jeden Tag den Rayon wechseln.

Der Unterricht beginnt auch in diesen Schulhäusern mit Händewaschen, direkt im Schulzimmer, weil diese mit Waschbecken ausgerüstet sind. Um möglichst gut Abstand zu halten, sei auch Kreativität der Lehrpersonen gefragt, so Trottmann. «Ich staune, was sich die Lehrpersonen alles einfallen liessen.» In einer Klasse können die Schüler ihre Fragen zum Beispiel nach Anmeldung in einem eigens eingerichteten «Office» besprechen. «Ich muss den Lehrpersonen definitiv ein Kränzchen winden», sagt die Schulleiterin.

Und auch wenn die weitere Entwicklung alles andere als klar sei, betont Trottmann: «Ich bin froh, dass der Schulbetrieb wieder läuft.»

von Reto Bieri und Claudio Brentini

 

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