«Wir sind keine Virenschleudern»

Corona lässt die Blasmusikvereine verstummen. Dagegen will der Schweizer Blasmusikverband mit einer Online-Petition vorgehen. Christoph Troxler, Präsident des Luzerner Kantonal-Blasmusikverbandes, unterstützt die Forderungen nach gelockerten Schutzmassnahmen.

Christoph Troxler anlässlich des Luzerner Kantonal Musiktags 2019 in Altishofen. Archivbild OK Musiktag Altishofen
Milena Stadelmann

Christoph Troxler, wann hatten Sie das letzte Mal ein Blasmusikinstrument in den Händen? 
Christoph Troxler:
Das war tatsächlich letzte Woche. Wir haben mit der Musikgesellschaft Hildisrieden nach langer Zeit wieder angefangen in Fünfergruppen zu proben. Davor sind wir letztmals im Dezember zusammengekommen. 

Seit dem 19. April gelten neue Schutzmassnahmen. Hat das Proben unter diesen Umständen funktioniert?
Mit fünf Personen klappt es – aber es ist eine absolute Notlösung. Wir erachten die neuen Massnahmen als Verschärfung. Obwohl es jetzt erlaubt wäre, mit 15 Personen zu proben, verschlechtern die erhöhten Mindestabstände von fünf Metern die Rahmenbedingungen. 

Werden die Blasmusikvereine damit zum Schweigen gebracht?
Ja, zwangsläufig. Die geforderte Fläche von 25 Quadratmetern pro Person ist unrealistisch und eigentlich unmöglich zu gewährleisten. Die wenigsten Vereine haben so grosse Räumlichkeiten zur Verfügung. Eine normale Gemeindeturnhalle würde nicht ausreichen. Und selbst wenn: Eine Blasmusik muss nah beisammensitzen, um zu proben. Man muss sich gegenseitig hören und spüren. 

Wenn man draussen probt oder Plexiglasscheiben montiert, werden Ihnen kleinere Abstände eingeräumt. Ist das keine Option? 
Nicht wirklich. Es gibt wenige Vereine, die das probieren. Aber auch mit den Plexiglasscheiben ist kein normaler Probenbetrieb möglich. Man hört sich nicht richtig. Ausserdem ist das auch eine Kostenfrage. Wir wissen nicht, wie lange die Massnahmen noch gelten. Die wenigsten Vereine werden sich unter diesen Umständen in die Kosten stürzen.

Der Schweizer Blasmusikverband hat am 22. April die Petition «Blasmusik tut gut!» gestartet und fordert damit vom Bundesrat realistische Schutzmassnahmen für die Blasmusikvereine. Weshalb unterstützt der Luzerner Kantonal-Blasmusikverband die Petition? 
Unter den aktuellen Bedingungen ist es nicht möglich den Probenbetrieb hochzufahren. Zudem erachten wir die Abstandsregel in diesem Ausmass als übertrieben. Sie beruht auf der Annahme, dass beim Spielen von Blasmusikinstrumenten Aerosole im ganzen Raum verteilt werden. Aber das stimmt nicht. Wie es in der Petition heisst: Mit einer Trompete kann man nicht einmal eine Kerze ausblasen.

Ich habe das Experiment selber mit einer Blockflöte getestet. Die Kerze ist dabei ausgegangen. 
Das kann sein. Die Blockflöte ist aber ein ganz anderes Instrument. Beim Spielen einer Blockflöte kommt die Luft direkt am anderen Ende wieder raus. Bei einem Blechblasinstrument hingegen wird die Luft durch ein Ventil geblasen. Der Ton entsteht durch die Lippenschwingungen. Dafür muss man, wenn man ganz normal spielt, gar nicht viel Luft ausstossen. Das haben diverse Studien aufgezeigt.

Aber einen Grund für die starken Massnahmen muss es ja geben. 
Die Erhöhung des Sicherheitsabstands ist für uns ein Rätsel. Die Regel wurde ohne eine verständliche Erklärung erlassen. Sie beruht nur auf den Vorurteilen, die ich eben genannt habe. Aber wir sind keine Virenschleudern. Mit der Petition wollen wir das nun klarstellen. 

Bald 19 000 Menschen haben die Petition unterschrieben. Das Ziel sind 25 000 Unterschriften. Gibt Ihnen diese Zustimmung der Bevölkerung Hoffnung?
Ja. Es ist schön die Unterstützung der Menschen zu spüren. Wir hoffen, dass der Bundesrat das in seine nächsten Entscheidungen miteinfliessen lässt. 

Was würde es für die Zukunft der Vereine bedeuten, wenn die aktuelle Situation noch länger anhält?
Viele Vereine sind ein bisschen eingeschlafen. Man müsste auf einem tieferen musikalischen Niveau anfangen, sobald das Proben wieder möglich ist. Wir hoffen jetzt darauf, zumindest im Sommer kleine Konzerte durchzuführen. Erneute Absagen wären für das Vereinsleben nicht gut. Für die Motivation ist es wichtig, auf ein Ziel hinzuarbeiten. Zudem würde sich umso mehr die Frage stellen, ob alle Vereinsmitglieder wieder zurückkehren. 

Machen Sie sich Sorgen um den Nachwuchs der Vereine?
Bis zum 20. Lebensjahr dürfen die jungen Vereinsmitglieder ohne grobe Einschränkungen proben. Das ist sehr wichtig. So kommen sie nicht aus der Übung. Die Nachwuchsförderung ist aber tatsächlich erschwert und leidet. Es ist schwieriger Kinder davon zu überzeugen, mit einem Blasmusikinstrument anzufangen. Instrumentenparcours, bei denen die verschiedenen Instrumente vorgestellt würden, können nicht durchgeführt werden und die Blasmusikvereine sind im Dorf nicht präsent. Gerade für die Jungen spielt das Zusammengehörigkeitsgefühl in einem Verein eine grosse Rolle. Ist das nicht möglich, schauen sie sich nach Alternativen um. 

Was vermissen Sie selber am meisten?
Das Zusammenkommen. Gemeinsam Musik spielen, nach der Probe noch zusammenzusitzen und auf ein Ziel hinarbeiten. Die Musikgesellschaft Hildisrieden musste die Neuuniformierung um ein Jahr verschieben. Das wird für uns ein wichtiger Anlass.

In der Petition heisst es: «Blasmusik tut gut.» Was tut genau gut?
Es ist gut für das Gemüt und bringt eine Bereicherung mit sich. Nicht nur für sich selber, sondern auch für die Gesellschaft. Andere Menschen haben Freude daran, uns beim Spielen zuzuhören. Auch das Zusammenkommen unter den Generationen finde ich immer sehr schön und bringt viele schöne Momente mit sich. Das spürt man insbesondere an den Musikfesten. Wenn die Aufregung des Auftritts vorbei ist, spielt es keine Rolle, ob man mit dem 15-Jährigen oder dem 70-Jährigen anstösst. In dem Moment sind alle gleich.

von Milena Stadelmann

Zur Person

Christoph Troxler spielt seit seinem 15. Lebensjahr in der Musikgesellschaft Hildisrieden. Seit vier Jahren ist der 52-Jährige Präsident des Luzerner Kantonal-Blasmusikverbandes. Troxler lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Hildisrieden. Neben seinem musikalischen Engagement arbeitet er als Agrotreuhänder und Landwirt. mst

Diese Regeln gelten für Blasmusikvereine 

Corona-Massnahmen Der Bundesrat hat am 14. April die Schutzmassnahmen im nichtprofessionellen Kulturbereich angepasst. Neu sind Proben für Blasmusikvereine bis zu 15 Personen in Innenräumen erlaubt, wenn für jede Person eine Fläche von mindestens 25 Quadratmetern zur Verfügung steht. Zusätzlich muss die Räumlichkeit über eine wirksame Lüftung verfügen. 

Bei Proben in Innenräumen bis zu fünf Personen muss ein Abstand von 2 Metern eingehalten werden. Im Aussenbereich gelten für Proben bis zu 15 Personen – bis auf das Musizieren – eine Maskenpflicht und ebenfalls ein Mindestabstand von 2 Metern. Auf den Mindestabstand zwischen den Plätzen kann in allen Fällen verzichtet werden, wenn zwischen den Personen wirksame Abschrankungen, wie Plexiglasscheiben, angebracht werden. 

Weiterhin zulässig sind Proben für Kinder- und Jugendformationen mit Mitgliedern der Jahrgänge 2001 und jünger. Dabei gilt der Mindestabstand von 1.5 Metern und die Maske darf nur zum Musizieren abgenommen werden. Aktivitäten mit Publikum sind unabhängig von der Altersklasse weiterhin verboten. mst

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