Hohenrain sagt Gestank den Kampf an

In der Gemeinde besteht seit Längerem ein Problem mit unangenehmen Gerüchen durch Landwirtschaftsbetriebe. Der Gemeinderat lanciert nun ein Geruchsprojekt. Unter anderem werden im betroffenen Gebiet Probanden den Gerüchen nachgehen.

Insbesondere die Schweinehaltung mit Auslaufmöglichkeiten für die Tiere sorgt für starke Geruchsemissionen. Foto pd
Jonas  Hess

Den Bewohnern in Günikon, Hohenrain und Ferren stinkts. Sie leiden unter den Gerüchen der umliegenden Schweineställe. «Das Problem besteht eigentlich bereits seit Jahrzehnten», sagt Gemeinderat Fredy Winiger. «Wenn der Wind aus Westen weht, ist es besonders schlimm.» Hinzu komme die hohe Luftfeuchtigkeit, die insbesondere in der aktuellen Jahreszeit oft vorherrsche. «Bei solchen Wettersituationen erhalten wir manchmal mehrere Telefone pro Tag von erbosten Bürgern, die sich über den Gestank beschweren.» Gemacht habe man in den vergangenen Jahren schon einiges, betont Winiger. So seien Luftwäscher bei den Ställen installiert worden, um die austretende Luft zu reinigen, Ausläufe abgedeckt, Sprinkleranlagen mit Eukalyptusöl gemischt oder der Gülle spezielle Zusätze beigefügt worden. Genützt habe alles, nur leider wenig. Gestank und Ärger blieben. «Ich bin selber Landwirt und weiss, wie es riechen kann, daher kann ich die Bevölkerung durchaus verstehen», so Winiger. Gleichzeitig könne er auch die Situation der Bauern nachvollziehen. «Sie waren zuerst da und wollen ihre Produktionsstätten nicht verlieren.»

Bund zieht mit
Um dies zu verhindern, hat sich die Gemeinde Hohenrain bereits vor zwei Jahren entschieden, ein Geruchsprojekt zu lancieren. «Damit wollen wir endlich den Durchbruch schaffen», so Winiger. Man habe damals eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der kantonalen Departemente «Umwelt und Energie» (Uwe) und «Landwirtschaft und Wald» (Lawa), den eidgenössischen Firmen Agridea und Argroscope sowie dem Unternehmen Agrofutura geschaffen. Gemäss Winiger ging es vor allem darum, griffige Massnahmen auszuarbeiten, um den Immissionen Herr zu werden.

Dass bis jetzt noch nichts umgesetzt sei, habe seinen Grund. «Das Projekt hat in der Zwischenzeit eine neue Flughöhe erreicht», erklärt Winiger. «Die Frage stellte sich, ob es nicht möglich wäre ein Ressourcenprojekt, welches vom Bund unterstützt wird, anzustreben. Dies bedingte einige Abklärungen.» Schon bald sass auch der Luzerner Bauernverband mit im Boot, der ein Ressourcenprojekt Ammoniak in der Pipeline hatte. Da nicht zwei Projekte beim Bund eingegeben werden können, habe man ein gemeinsames Projekt «Ammoniak und Geruch» ins Leben gerufen. Das Einzugsgebiet umfasst nun die gesamte Zentralschweiz. Hohenrain gehört zu den Pilotgemeinden. «Ammoniak und Geruch» wurde somit zum Ressourcenprojekt und darf nun auf Bundesbeiträge hoffen. «Das ist für uns – respektive die Landwirte – eine grosse Chance, um griffige Massnahmen, die viel Geld kosten, umsetzen zu können», sagt Fredy Winiger. Ob es klappen wird, ist aber noch nicht sicher. Das Projekt wurde im Juli eingereicht. Ob die Beiträge fliessen, wird das Bundesamt für Landwirtschaft im Oktober entscheiden. Fredy Winiger ist zuversichtlich. «Ich gehe davon aus, dass das Projekt aufgenommen wird.»

Ungewisse Zukunft für Ausläufe
Dass dieses Ressourcenprogramm sehr wichtig ist, zeigt sich bei den möglichen Massnahmen, die in Hohenrain getroffen werden könnten. «Es ist möglich, dass bei einzelnen Bauern die Tierausläufe geschlossen werden müssen und sie dadurch nicht mehr Label-Fleisch produzieren können», sagt Fredy Winiger. In solch einem Fall würde der betroffene Landwirt für die Ausfälle entschädigt. In welchem Umfang ist aber noch unklar. Eine, für die Bauern weniger drastische Möglichkeit, wäre die Installation von Lufwaschanlagen der neuesten Generation. Auch die Zusammenarbeit mit den Stallbauern sei angedacht, so Winiger. Der Gemeinderat ist sich bewusst: «Die Verhandlungen werden so oder so nicht einfach werden.» Er ist aber überzeugt davon, dass die Hohenrainer Bauern mitmachen. «Der Druck auf die Landwirte wächst. Sie wollen verhindern, dass ihre Betriebe geschlossen werden müssen. Zudem war die Zusammenarbeit mit ihnen bis jetzt immer sehr gut.»

Stinkt es nun oder nicht?
Dass in Hohenrain etwas geschehen muss, davon ist auch Projektleiterin Sibille Jenni von der Firma Agrofutura überzeugt. «In Hohenrain besteht eine besonders komplexe Situation, da es mehrere landwirtschaftliche Betriebe sind, die gemeinsam teilweise intensive Geruchsimmissionen in den Wohngebieten verursachen», erklärt die Umwelt-Naturwissenschafterin. Hinzu komme, dass es schwierig sei, zu beurteilen, welcher Betrieb wie stark zur Geruchsentwicklung beitrage. Aus diesem Grund wird derzeit eine Umfrage bei der Bevölkerung durchgeführt, um herauszufinden, wo, wann und wie lange die Gerüche in der Luft von den Bewohnern als störend empfunden werden. «Die Rücksendefrist für die Fragebögen ist auf Ende August terminiert. Der Rücklauf ist gut», so Jenni. Die Antworten würden dabei sehr unterschiedlich ausfallen. Während einige Bürger den aktuellen Zustand «als nicht mehr auszuhalten» beschreiben, würden andere sagen «wir sind auf dem Lande und nehmen dies in Kauf». Jenni erklärt sich diese Diskrepanzen so: «Gibt es in einem Quartier eine Person, die sich als sehr stark betroffen bezeichnet und alle anderen nehmen kaum etwas wahr, ist es wahrscheinlich, dass diese Person entweder gut riecht, empfindlich ist oder dass sie ein Zeichen setzen will.»

Probanden auf Begehungstour
Damit sich die Gemeinde nicht alleine auf subjektive Empfindungen verlassen muss, werden zusätzlich Probanden eingesetzt, die nicht in Hohenrain wohnen. Die geschulten Personen werden einen bestimmten Parcours in betroffenen Wohnquartieren zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten abgehen. Dabei wird pro Messpunkt beurteilt, ob Gerüche aus der Tierhaltung wahrnehmbar sind oder nicht. Gemäss Jenni laufen diese Begehungen über mindestens sechs Monate. «Werden an einem oder mehreren Messpunkten die Beurteilungswerte – in Wohnzonen  sind das zehn Prozent, wenn ein Jahr lang gemessen wird – überschritten, steht mit ausreichender Sicherheit fest, dass die dort auftretenden Geruchsimmissionen von einem wesentlichen Teil der Bevölkerung als erheblich störend bewertet werden», erklärt Jenni. Ursprünglich wollte man im Juni mit den Begehungen starten. «Uns fehlen trotz intensiver Suche momentan aber noch einige wenige Probanden.» Aus diesem Grund werde voraussichtlich im Herbst gestartet. Die zweite Phase ist für Frühling 2020 geplant.

Bis definitive Resultate vorliegen, wird es also noch eine Weile dauern. Fredy Winiger bittet die Bevölkerung deshalb um Geduld. «Wir hoffen dafür auf eine nachhaltige Lösung mit Hand und Fuss.» Und falls der Bund die erhofften Beiträge nicht sprechen sollte, will Winiger trotzdem weitermachen. «Dann bräuchte es ganz viel Überzeugungsarbeit von unserer Seite. Das wäre sicher hart. Wir hoffen, dass wir diesen Weg nicht einschlagen müssen.»

von Jonas Hess

 

Probanden gesucht: Für das Projekt in Hohenrain werden nach wie vor Probanden gesucht. Interessierte müssen zwischen 16 und 60 Jahren alt sein und kommen zwei bis dreimal pro Monat zum Einsatz. Es können sich auch Seetaler und Seetalerinnen beteiligen. Voraussetzung ist, dass sie nicht in Hohenrain wohnen. Interessierte melden sich bei KBP, welche die Begehungen organisieren und begleiten:
[email protected].

 

Immissionen versus Emissionen

Im Text ist oft die Rede von Geruchsimmissionen. Dieser Begriff ist nicht zu verwechseln mit Geruchsemissionen.

Geruchsimmission: Einwirkungen von Geruchsstoffen auf den Menschen. Sie können beschrieben werden durch die Häufigkeit, Dauer, Qualität, Intensität und hedonische Wirkung (wird der Geruch als angenehm oder unangenehm wahrgenommen). Gemäss Luftreinhalteverordnung gelten Geruchsimmissionen insbesondere dann als übermässig, wenn aufgrund einer Erhebung feststeht, dass sie einen wesentlichen Teil der Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden erheblich stören.

Geruchsemission: Übertritt von Geruchsstoffen in die offene Atmosphäre. Erst die Geruchsimmission wird zum Problem für Betroffene, nicht Emissionen per se.

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