Herzblut auf und neben der Bühne

Der Genuss eines Fyrobig-Biers an einer irischen Bar sowie eine offene Bühne für Mutige und Talentierte – das ist einmal im Monat fester Bestandteil des kulturellen Lebens in Schongau. Der «Seetaler Bote» war Anfang März mit dabei.

Daniel Schmuki

Plötzlich war sie auf der Bühne im Scheinwerferlicht: Mrs Robinson, die das Publikum in die 1960er Jahre zurückwarf. Jorge Chávez-Hauser spielte virtuos die Gitarre und sang einen der bekanntesten Songs des US-amerikanischen Folk-Rock-Duos Simon & Garfunkel. Das Publikum verdankte die Einlage mit grossem Applaus.

Der gebürtige Ecuadorianer hatte seinen ersten Auftritt in der «Bühne10». Er nutzte die Gelegenheit des ersten Freitags im Monat, anlässlich des «Fyrobig Biers» auf der offenen Bühne zu improvisieren. Sein gekonnter Umgang mit den Gitarrensaiten dürfte auch mit seinem Beruf zusammenhängen. Als Facharzt für orthopädische Chirurgie ist er den geschickten Einsatz der Finger allemal gewohnt.

Auf den Brettern der «Bühne10» stehen zwei Mikrofone, ein Keyboard, eine Anlage mit Mischpult und auch Sitzgelegenheiten zur freien Verfügung. Vor der Spielfläche – etwa einen halben Meter tiefer – hat es zwei lange Tische mit je rund zehn Sitzplätzen für das Publikum. Weiter hinten die Bar im Stil eines Irish Pubs. Es ist die lockere, entspannte Kultur der Iren, die zur Wahl dieser Einrichtung geführt hat. Ideengeber war Peter Schuler, der zusammen mit seiner Frau Angelika mehrmals auf der grünen Insel weilte. Als gelernter Schreiner fertigte er die gesamte Einrichtung mit Bar und Bühne selbst an.

Peter Schuler ist einer der fünf Männer, die den Kulturverein «Bühne10» gegründet haben. Nicht minder engagiert sind Herbi Stutz, Hubi Heini und Franz Kottmann sowie der ursprünglich aus der Ostschweiz stammende Guido Ebneter. Alle fünf dürfen auf die Unterstützung und Mithilfe ihrer jeweils besseren Hälfte zählen. Die Gattinnen betreiben die Bar mit viel Verve, Freude und Charme.

Der erste Freitag im Monat steht ganz im Zeichen «Fyrobig Bier und offeni Bühni», ein Anlass mit grossem Stellenwert in Schongau. Zumeist ohne Vorankündigung der Künstlerinnen und Künstler werden dem Publikum kostenlos Vorführungen geboten. Oft sind dies musikalische Einlagen. Auch Vernissagen, Lesungen, Kleinkunst oder Comedy sind gerne gesehen und willkommen.

Eine Erfolgsgeschichte

Das Kulturlokal existiert seit einem Jahr, ist als Verein organisiert und bezweckt, das kulturelle Leben in Schongau zu fördern. Der Name «Bühne10» leitet sich schlicht von der Hausnummer an der Guggibadstrasse ab. «‹Die Bühne10› kommt bei den Leuten wirklich gut an. Sie ist eine Erfolgsgeschichte», sagt Franz Kottmann erfreut.

Bevor Jorge Chávez-Hauser die Bühne betrat, hatte Urs Geiser aus Müswangen bereits einen Auftritt an diesem Abend. Er ist erprobt und sagt: «Ich habe auf der offenen Bühne bereits dreimal mit meiner Gitarre gespielt. Ich mag Schweizer Mundart wie von Mani Matter, es kann aber auch Pop, Country oder Irish Folk sein», fügt der gelernte Schreiner an.

Nebst der monatlichen offenen Bühne werden in denselben Räumlichkeiten auch sechs bis acht Anlässe organisiert, die innerhalb eines Jahres stattfinden und in der Regel auch eine thematische Verwandtschaft haben. Für diese wird ein kostenpflichtiges Ticketing veranstaltet.

«Mitenand und fürenand»

Urs Geiser freut sich sichtlich über die Möglichkeiten, die ihm die «Bühne10» bietet. «Man kann hier ungezwungen auftreten und ausprobieren. Es wird nichts erwartet.» Seinen Mitmenschen möchte Urs Geiser Lieder mit Tiefgang und damit mit guten Texten darbieten. Dies sei auf der «Bühne10» sehr gut möglich, da sie überschaubar sei. Es sei eine Vorstellung für und mit den Leuten, ergänzt Gitarrist Geiser. Das Durchschnittsalter des Publikums betrage je nach Aufführung 30 bis 50 Jahre, führen die Bühnenbetreiber aus. Jugendliche seien die Ausnahme. Besonders gefreut habe sie der Besuch von drei Witwen, die auf diese Weise wieder vermehrt Anschluss in der Gesellschaft gesucht und gefunden haben.

Titanic und Joe

Nicht nur an diesem Abend bietet die offene Bühne besonderen Künstlerinnen und Künstlern eine Plattform. So trat zum Beispiel vor wenigen Monaten eine Dudelsack-Spielerin auf, die sich zuerst der Lautstärke wegen nur im Freien zu spielen traute, um dann später im Innenraum alle zu begeistern. Oder einst der hauseigene Braumeister, der plötzlich mit seinem Bruder auf den Brettern stand. Und im letzten Februar ein Duo, das so richtig gerockt habe. «Das war eine Höllenshow und wir möchten die beiden baldmöglichst in unser Programm aufnehmen», sagt Franz Kottmann, der auch für Snacks während des Abends verantwortlich ist. Generell seien letztes Jahr mehrmals Frauen sehr positiv aufgefallen, weshalb die «Bühne 10» für das laufende Jahr «kraftvolle Frauenstimmen» als Programmthema gewählt habe. Auch ausserhalb des Musikalischen finden sich spezielle Geschichten. Sei es ein Reisebericht eines Vaters und seiner Tochter, die mit dem Velo in Richtung Kilimandscharo unterwegs waren. Oder eine Stubete mit einem Wetterschmöcker im letzten Oktober. Lesungen und Theater seien bis anhin eher selten angeboten worden. Freuen würden sich die Veranstalter besonders über einen Comedy-Beitrag und halten entsprechend die Augen offen. So besucht das Team auch immer wieder andere Veranstaltungen, um Talente zu erspähen und für einen Auftritt auf der offenen Bühne zu begeistern.

Gegen Ende des Abends mit «Fyr­obig-Bier und offeni Bühni» wird um Viertel nach zwölf die Titanic-Glocke geläutet. Das Zeichen für die letzte Runde. Und um 00.30 Uhr wird mit Hans Hartz' «Joe ...noch einen» nach gedoppelt. Der bunte Abend neigt sich dann definitiv dem Ende zu.

Mit Blick in die Zukunft sagt Hubi Heini, der selbst Gitarrist und Sänger ist: «Wichtig ist, dass wir sagen können, dass jeder Abend toll war. Es soll uns nicht zu viel werden. Und wenn wir Nachwuchs dafür begeistern können, dann wäre dies sensationell.» Bar- und Bühnenbauer Peter ergänzt: «Unser Kulturlokal ist unser Hobby. Der Lohn dafür ist, dass wir mit Begeisterung mit den Leuten hier zusammen sein können.» Da spielt also nicht nur viel Herzblut auf sondern auch neben der Bühne mit.

----------------------------------------------------

Kulturlokal «Bühne10», Guggibadstrasse 10, Schongau, www.buehne10.ch. Freitag, 17. März: Saint Patrick's Day (ausverkauft); nächstes «Fyrobig Bier und offeni Bühni» am Freitag, 5. Mai. (Freitag, 7. April, geschlossen wegen Karfreitag).

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • HTML - Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Web page addresses and email addresses turn into links automatically.