Nach 38 Jahren wurstet jetzt der Nachwuchs

Nach 38 Jahren hat Metzgermeister Herbert Rüttimann sein Geschäft an seinen ehemaligen Lehrling übergeben. ­Thomas Loosli führt jetzt die Metzgerei mitten im Dorf.

Hier wird gerade ein Rind zerlegt. Sepp Buob und Michael Lipp sind seit 5 Uhr früh an der Arbeit. Foto: Werner Rolli
Werner Rolli

Seit 5 Uhr in der Früh sind Michael Lipp und Sepp Buob am Werk. Vor ihnen liegt das Vorderviertel eines Rindes, das Hinterviertel hängt noch am Haken. Am Tisch nebenan steht Thomas Loosli. Er verarbeitet einen Teil des Fleisches sogleich zu Würsten. Seit ein paar Tagen ist er der neue Chef hier. Er hat die Traditionsmetzgerei von seinem ehemaligen Lehrmeister Herbert Rüttimann übernommen. 38 Jahre lang führte Herbert Rüttimann den Betrieb.

Bis heute wird auch selbst geschlachtet. Eine Tradition, die vielerorts nicht mehr gepflegt wird. «Das gehört doch zu unserem Handwerk», sagt Herbert Rüttimann. Gerade in der heutigen Zeit sind lokale Produkte gefragt. Der Fleischkonsum ist zwar in der Tendenz rückläufig, aber Herr und Frau Schweizer gönnen sich nach wie vor gerne ein Stück Fleisch. In der Metzgerei-Branche macht sich der Fachkräftemangel bemerkbar, viele Metzger finden weder Lehrlinge noch einen Nachfolger. Hinzu kommt die Konkurrenz der Grossverteiler, die mit tiefen Aktionspreisen locken. Deshalb müsse sich ein kleines Geschäft abheben mit Dienstleistungen und eigenen, kreativen Produkten.

Herbert Rüttimann hat nach seiner Lehre Militärdienst geleistet, war Koch in der RS und heuerte dann bei der Migros an und wurde Chefmetzger. Sein Vorgesetzter hatte die Meisterprüfung, das imponierte dem jungen Berufsmann. Aus seiner eigenen Weiterbildung wurde allerdings vorerst nichts. So knüpfte er Kontakt zur Metzgerei Odermatt in Hildisrieden, wo er gelegentlich aushalf. Dieser habe ihm nach anfänglichem Zögern ermöglicht, die Meisterprüfung zu absolvieren. Kurze Zeit später, Herbert Rüttimann war gerade mal 27 Jahre alt, frischgebackener Vater und Ehemann, fragte ihn sein Chef, ob er die Metzgerei übernehmen wolle.

Das Handwerk wird gepflegt

Thomas Loosli hat seine Lehre vor 14 Jahren abgeschlossen, danach ging er «auf Wanderschaft, wie es sich gehört». Nach dem Militärdienst hat er verschiedene Anstellungen bei Kleinmetzgereien und auch mittelgrossen Metzgereibetrieben gefunden, bis er sich ähnlich wie sein Lehrmeister damals, bei einem Grossverteiler anstellen liess. Die Arbeit beim Grossverteiler sei zwar gut, aber zu wenig kreativ gewesen, erzählt Thomas Loosli. «Irgendwie war ich da nicht mehr Metzger», resümiert er. Grossverteiler streben eine möglichst umfassende Standardisierung an. Thomas Loosli hatte aber den Wunsch, die Berufsprüfung nachzuholen. So klopfte er bei seinem ehemaligen Lehrmeister an. Die Berufsprüfung ist gleichbedeutend mit dem Betriebsleiter mit eidgenössischen Fachausweis und damit auch Vorstufe für den diplomierten Metzgermeister.

Gemäss Branchenverband sind auch Berufsmaturität, höhere Fachprüfung (HFP), sowie Fachhochschulstudium als Lebensmittelingenieur möglich. Herbert Rüttimann hat seine Zeit beim Grossverteiler mehrheitlich positiv in Erinnerung. Er habe Kontakte zum Zivildienst und zu Restaurants in der Region geknüpft und tatkräftig mitgeholfen, den Umsatz zu steigern.

Thomas Loosli hingegen vermisste das klassische Metzgerhandwerk. Das wird er jetzt am neuen Ort umso mehr pflegen: «Unsere Wurstwaren sind mit viel Herzblut hergestellt», sagt er. Es gehe jetzt noch um kleine Anpassungen. So war die Metzgerei bis anhin am Mittwoch geschlossen, Thomas Loosli wird seinen freien Tag auf den Montag legen. Hochfliegende Pläne schmiedet er keine, denn er weiss: Planen kann man viel, meistens kommt es dann anders. Herbert Rüttimann wäre eigentlich pensioniert, doch um die Geschäftsübergabe erfolgreich abzuwickeln, hat er noch zugewartet mit dem Ruhestand. So lange wie nötig unterstützt er Thomas Loosli auch. Aber aufdrängen möchte er sich nicht. Rüttimann: «Jetzt habe ich mehr Zeit für die Zeit, die ich habe.»

Passionierter Jäger

Mitte der 1980er-Jahre ist Herbert Rüttimann zur Jagdgesellschaft Römerswil gestossen, hat die Jagdprüfung abgelegt und sich so, ohne dass er dies geplant hätte, einen neuen Geschäftszweig erschlossen. Es hat sich herumgesprochen, dass heimisches Wild anbot und auch Tiere im Auftrag verarbeiten konnte. So ist es heute durchaus üblich, dass Landwirte ihr «Gatterwild» – also Wildtiere, die auf Bauernhöfen oder Freizeitanlagen in Gehegen leben – von einem ortsansässigen Metzger zerlegen lassen. Oft werden diese Produkte dann im eigenen Hofladen zum Verkauf angeboten. Auch andere Jäger brachten ihre Tiere gerne zur Verarbeitung. Da hatte Herbert Rüttimann schon Wild aus fünf Ländern im Haus. Jetzt möchte er selbst wieder auf die Jagd

Manchmal hilft auch der Zufall. So lieferte ihm ein Mastbetrieb, der in Liquidation ging, Hunderte von Pouletschenkeln. In der Not legte Herbert Rüttimann diese erst einmal in eine Salzlake, räucherte sie und verkaufte das als «Chömi-Schenkel». Prompt wurde er dafür mit einer Goldmedaille des Fleischverbandes ausgezeichnet. Im Lauf der Jahre kamen weitere Auszeichnungen hinzu. Fertige Gewürzmischungen sind für eine Metzgerei kein Thema. Wer seine eigene Mischung macht, kann sich abheben. Da kommt es schon mal vor, dass jemand vor dem Urlaub Würste bestellt – und diese als Vorrat mitnimmt, weil sie «anders» schmecken.

Thomas Loosli führt das in Metzgerei Loosli­ umbenannte Geschäft ganz in der Tradition seines Vorgängers, aber mit seinem eigenen, persönlichen Touch.

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