Eine Hommage an die Menschen

Der Kreisel im Dorfzentrum wird in den nächsten Tagen verschönert durch eine Skulptur. Wer steckt hinter dem markanten Kunstwerk? Ein Besuch im Atelier von Mark Walker.

Werner Rolli

Zu ihrem Jubiläum schenkt sich die Gemeinde Hildisrieden ein Kunstwerk. Es ist eine markante, über drei Meter hohe Metallskulptur, die künftig den Kreisel mitten im Dorf zieren wird. Auffallend an der Skulptur ist die Inschrift «Hildisrieden», und die Zahl «850», die an das Jubiläum der Gemeinde erinnert. Weiter oben sind vier Gesichter im Profil zu erkennen, von denen jedes in eine andere Himmelsrichtung blickt.

Diese Gesichter sind ein Markenzeichen ihres Schöpfers Mark Walker. Er lebt seit über dreissig Jahren in der Gemeinde Hildisrieden. Seine Skulpturen findet man nicht nur in Hildisrieden und in der übrigen Schweiz, sondern auch unter anderem in Florenz, wo er einst studierte, in Heist (Belgien) in Zug und demnächst in San ­Francisco. Auf einem Rundgang durch seinen Garten erzählt er, wie er 1953 in Bern geboren wurde und 1961 mit seinen Eltern nach Bozen im Südtirol umsiedelte. Er habe schnell Italienisch gelernt und dann am Liceo artistico in Bozen und an der Accademia di belle arti in Florenz studiert. Eine Ausbildung zum Grafiker in Zürich hat er zugunsten seines Studiums in Italien abgebrochen: «Es war nicht meine Welt», sagt er heute rückblickend.

Gemeindepräsidentin Monika Emmenegger habe ihn angefragt, ob er diesen Kreiselschmuck gestalten würde, erzählt Mark Walker. Er hat bereits 2006 die Stahlstele «Unterwegs» für den Platz vor der Gemeindeverwaltung und der Raiffeisenbank gestaltet, ist also in Hildisrieden längst kein Unbekannter mehr. Er weilte gerade in Indien, als ihm der neuerliche Auftrag erteilt wurde. Nach seiner Rückkehr hat er erste Entwürfe gezeichnet und ein erstes Modell hergestellt. Der Kanton wies aufgrund des Modells darauf hin, dass die Skulptur so nicht installiert werden dürfe, weil sich bei einem Verkehrsunfall im Kreisel jemand daran zusätzlich verletzen könnte. Also griff er zu einem Kniff und entschärfte die Kanten, indem er die Skulptur nach innen abkantete. Die Dimensionen seiner Skulptur waren gegeben durch das Fundament des sonnenbetriebenen Wasserspiels, das 2016 installiert, unterdessen aber wieder abgebaut wurde.

Zu Hause in Hildisrieden und auf Sardinien

Man darf Mark Walker getrost als Weltenbummler bezeichnen, vielleicht wäre der Ausdruck Weltenbürger noch präziser. Seit gut 35 Jahren nennt er Hildisrieden sein Zuhause, erwähnt aber im selben Atemzug Sardinien. Mit seiner ersten Partnerin, die aus Holland stammte, lebte er in Zürich und Florenz. Seit 1976 lebt er wieder in der Schweiz. Zehn Jahre lang hatte er ein Atelier in einem Bauernhaus in Nunwil. Es war an der Zeit, ein Eigenheim mit Atelier zu bauen.

Dass er in Hildisrieden sesshaft wurde, sei eher dem Zufall geschuldet. Er habe in der Region nach einem passenden Haus oder einem Grundstück gesucht. In Hildisrieden hat es dann geklappt. Seine jetzige Ehefrau stammt, wie seine Mutter, aus dem Südtirol.

Diese Affinität zu seiner zweiten Heimat manifestiert sich im Garten Mark Walkers. Zwischen Zitronen- und Feigenbäumen, Kumquats, Chilischoten und Tomaten stehen einige seiner Skulpturen. «Aphrodite» heisst eine davon. Sie ist, wie viele seiner Werke, eine Hommage an den Menschen, «die unendliche Geschichte des Ewig-Weiblichen und der potenzierenden Kraft der Liebe», wie sich Dr. A. Fischbacher in einer Kurzbiografie Walkers ausdrückt. Am liebsten arbeitet der Künstler mit Cortenstahl, ein Material, das sich harmonisch in die Landschaft einfügt und dessen Oxidationsschicht es weitgehend vor Korrosion schützt. Zudem hat es den Vorteil, dass es nicht reflektiert.

Die Stahllegierung, patentiert vom Amerikaner Byramji D. Saklatwalla, wurde durch die United States Steel Corporation weiterentwickelt. Aufgrund seiner Unempfindlichkeit gegenüber Witterungseinflüssen und seiner charakteristischen Patina wird Cortenstahl auch für Akzente in der Architektur eingesetzt, etwa für Fassadenverkleidungen. Mark Walker gibt seinen Skulpturen aber ihren speziellen Charakter durch das gekonnte Abkanten und durch das Spiel von Einblick und Durchblick und der Wiederholung einzelner Elemente.

Handarbeit im Heimatelier

Die Modelle stellt er in seinem Atelier selbst her. Dabei überrascht es, dass er für einige Arbeiten eine Laub­säge verwendet. Manche seiner Arbeiten erinnern gar an einen Scherenschnitt. Für seine Entwürfe verwendet Mark Walker neben ersten Skizzen auch CAD-Programme, mit deren Hilfe sich Gegenstände dreidimensional darstellen lassen. Die Herstellung übernimmt jeweils ein lokaler Metallverarbeiter. Mark Walker überwacht die Produk­tion, bringt Schutzfolien an, um zu verhindern, dass der blank polierte Stahl beim Abkanten zerkratzt wird.

Schriften und Verzierungen werden mittels einem Hightech-Laser-Verfahren in den Stahl geschnitten. Nur die Lasertechnik ermöglicht es, manche seiner filigranen, ineinandergreifenden Skulpturen anschliessend zusammenzusetzen. Mark Walker zeigt ein Beispiel, zwei Frauengesichter, deren lange wehenden Haare ineinandergreifen. Ohne Lasertechnik hätte er dies nicht so realisieren können, resümiert er.

Seine ersten Skulpturen entstanden aus Holz, später hat Mark Walker auch mit Stein experimentiert. «Holz als Werkstoff hat mir gefallen, es hat seinen eigenen Reiz und ist ideal zu bearbeiten. Mit Stein hingegen konnte ich mich nie richtig anfreunden», erklärt er. Doch als Künstler wirkte er bereits in jungen Jahren, mit 12 Jahren stellte er seine Zeichnungen und Gemälde erstmals aus, damals im Kirchgemeindehaus in Bozen.

Seine aktuelle Arbeit sieht er als Hommage an Hildisrieden und an seine Menschen «und zwar nicht nur an alle, die heute in der Gemeinde leben, sondern auch alle, die hier gelebt und die Geschichte der Gemeinde geprägt haben». Hier ist sie wieder, seine zentrale Aussage: «Der Mensch steht bei mir im Mittelpunkt.» Genau erklären könne man das nicht, aber für ihn steht ausser Zweifel, dass er auch dank seiner vielen Reisen gelernt habe, andere Kulturen zu respektieren. «Respekt ist der Schlüssel zur Kommunikation», sagt er, «und damit auch zum Frieden».

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • HTML - Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Web page addresses and email addresses turn into links automatically.