Eine Jurte als alternatives Klassenzimmer?

Eine Jurte könnte der Schule bald als naturnaher Lernort dienen. Ein Baugesuch mit diesem Ansinnen liegt noch bis am 25. September öffentlich auf.

Jurten erfreuen sich auch in der Schweiz wachsender Beliebtheit (Symbolbild). Foto jurtendorf
Werner Rolli

Es ist ein aussergewöhnliches Baugesuch, das aktuell zur Einsicht auf dem Regionalen Bauamt Oberseetal aufliegt. Auf dem Hof der Familie Fleischli in Ballwil soll eine Jurte entstehen. Diese würde gemäss den Unterlagen als alternatives Klassenzimmer für Lernende mit sozio-emotionalen Entwicklungsstörungen dienen. Noch muss das Vorhaben diverse Hürden überwinden, so ist es beispielsweise äusserst schwierig, eine Baubewilligung für Objekte in einer landwirtschaftlich genutzten Zone zu erhalten.

Im Fall der Jurte auf dem Hof der Familie Fleischli in Ballwil soll das Nomadenzelt gemäss den Unterlagen ein naturnaher Lernort sein, welcher zu jeder Jahreszeit und bei den unterschiedlichsten Wetterlagen genutzt werden kann. Die Lernenden sollen in einem geschützten, sicheren und möglichst einfachen Rahmen die Natur, verbunden mit der Landwirtschaft im ganzen Jahreskreis, erfahren können. Gärtnern und das Leben auf dem Bauernhof mitbekommen gehört genauso dazu wie das Eintauchen in den Wald, das Spielen am Bach sowie das Feiern der Jahreszeitenfeste. Biodiversität soll gelebt und erfahren werden.

Beheizt würde die Jurte bei Bedarf mittels Schwedenofen, Strom ist nicht vorgesehen. Nassraum und Toiletten sind auf dem Gelände vorhanden. Die Jurte wird – sofern der Bau bewilligt wird – auf einem Holzunterboden von 7,3 Meter gebaut, der Durchmesser des Zeltbaus misst 6,8 Meter, die Höhe ab Boden 3,15 Meter. Wie bei Jurten üblich sind die Aussenwände 1,7 Meter hoch, dann neigen sich die Zeltwände zur Mitte zur sogenannte Krone hin. Die Öffnung im Dach dient der Belüftung und bietet Platz für den Rauchabzug. Die Kosten werden im Baugesuch mit 25 000 Franken veranschlagt.

Interesse an der Jurte hat gemäss den Unterlagen auch die Schule Ballwil, die zur Zeit nicht genügend Plätze für Lernende mit einer sozio-emotionalen Entwicklungsstörung zur Verfügung stellen kann. Die Schule nimmt deshalb im laufenden Schuljahr ein Projekt für Lernende mit originellem Verhalten in Angriff.

Schule möchte integrieren statt separieren

Die Lernenden werden einen Teil ihrer Unterrichtszeit (alternativer Lernort) auf dem Hof der Familie Fleischli verbringen und den Rest des Unterrichts im Klassenverband an der regulären Schule besuchen. Das Konzept sieht vor, dass der Unterricht auf dem Hof schwerpunktmässig in der Jurte stattfinden soll.

Dieses Setting sollte dazu führen, dass die Integration von Lernenden mit einer sozio-emotionalen Entwicklungsstörung breiter abgestützt wird. Die entsprechenden Lernenden erhalten einen anderen Zugang zum Lernstoff und dem Unterricht in der Klasse. Die Schulleitung drückt in einem dem Baugesuch beigefügten Schreiben die Hoffnung aus, dass mit diesem Projekt eine Separation an eine Sonderschule nur noch in Ausnahmefällen erfolgen muss und die betroffenen Klassen und Lehrpersonen mindestens zeitweise entlastet werden können.

Anita Fleischli führt – gemeinsam mit Yvonne Meier – die Waldspielgruppe in Ballwil. Dabei lernen die Kinder gemeinsam im Erlenwald spielerisch die magischen Geheimnisse der Natur kennen. An einigen Nachmittagen dürfen sie sich auch auf das Abenteuer Bauernhof auf dem Hof von Familie Fleischli in Gibelflüh einlassen. Ab dem kommenden Schuljahr arbeitet Anita Fleischli zudem als Sozialpädagogin an der Schule Ballwil.

Vom Nomadenzelt inspiriert

Die Jurte ist das traditionelle Zelt der Nomaden in Zentralasien, besonders verbreitet in der Mongolei, Kirgisistan und in Kasachstan. Sie erfreut sich jedoch auch in der Schweiz wachsender Beliebtheit, wie etwa das Jurtendorf im Luthernbad oder Jurten, die im Jura, im Zürcher Oberland, im Wallis oder andernorts als B'n'B-Unterkünfte oder als Seminar- und Kursräume angeboten werden, beweisen.

In den letzten Jahren, mit dem Aufkommen von Dokumentarfilmen aus der Mongolei, aber auch dem sanften Tourismus dort, hat die Jurte nochmals an Popularität gewonnen. So haben sich etliche Jurtenbauer auch in Europa und in der Schweiz etabliert. Sie bauen ganzjährig bewohnbare Jurten, die sich auch für europäisches Klima mit höheren Niederschlagsmengen eignen. In Anlehnung der Jurte sind auch solide jurtenähnliche Häuser entwickelt worden, die sich der Grundgeometrie und Statik der Jurte bedienen, aber im Gegensatz zu den klassischen Nomadenzelten eine starre Konstruktion benutzen.

Das Baugesuch liegt noch bis am 25. September öffentlich zur Einsicht auf.

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