Die Mehrheit hat zugestimmt

Ausführliche Berichterstattung: Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger von Hitzkirch haben am Dienstagabend an der Gemeindeversammlung in der Turnhalle Hämikon einem neuen Reglement zur Benützung der Schul-, Sport- und Freizeitanlagen zugestimmt. Dieses gibt den Asyl- und Schutzsuchenden dort keinen Raum, womit sich das Initiativkomitee um Astrid Mühlebach mit seinem Vorschlag gegen den Gemeinderat durchsetzen konnte.

Astrid Mühlebach (mit weisser Jacke) stimmt in der gut besetzten Turnhalle Hämikon über ihre eigene Initiative ab. Foto Werner Rolli
Daniel Schmuki

Ausführliche Berichterstattung zur Gemeindeversammlung vom 5. März:

«Ich bin sehr erleichtert und froh, dass es heute zu diesem Ergebnis gekommen ist», sagte Astrid Mühlebach gegenüber dem «Seetaler Bote» unmittelbar nach Abschluss der Gemeindeversammlung. Soeben wurde die im letzten April eingereichte Gemeindeinitiative mit grossem Mehr durch die anwesenden Stimmbürgerinnen und Stimmbürger angenommen. So dürfen Schul-, Sport- und Freizeitanlagen der Gemeinde Hitzkirch mit einem neuen Reglement nicht – und auch nicht vorübergehend – für die Unterbringung von Asyl- und Schutzsuchenden im Sinne des Asylgesetzes eingesetzt werden. Vorbehalten bleiben Requisitionen aufgrund von übergeordnetem Bundes- oder Kantonsrecht. 174 Stimmberechtigte hatten sich an diesem Abend zur Versammlung in der Turnhalle Hämikon, einem Ortsteil der Gemeinde Hitzkirch, eingefunden.

Astrid Mühlebach sagte weiter: «Das Ergebnis zeigt, dass wir unsere Anlagen auch weiter für unsere Vereine nutzen können. In den letzten Monaten hat das Vertrauen gegenüber dem Gemeinderat gelitten, denn wir haben eine sehr gute Alternative angeboten, die jedoch auf Ablehnung stiess.» Mühlebach sei mit einem guten Gefühl an die Versammlung gekommen, sie habe selbstverständlich auch Vereinsleute mobilisiert. «Ich bin überglücklich, dass es geklappt hat», freute sich Astrid Mühlebach.

David Affentranger hielt gegenüber dem «Seetaler Bote» fest, dass er sich und den Gemeinderat nicht als Verlierer des Abends sehe. «Es ist unglaublich fair und konstruktiv debattiert worden. Niemand ist persönlich oder gar ausfällig geworden. Das Resultat entspricht der Meinung der Bevölkerung, die es zu akzeptieren gilt.» Affentranger fasste pointiert zusammen: «Der Gemeinderat kann mit dem Ergebnis gut leben.»

Orientierung und Auslegeordnung
Dem Abstimmungsergebnis zugunsten der Initianten ging eine rund 90-minütige Versammlung voraus, deren Ablauf aufgrund von eingebrachten Anträgen Spannung versprach. Gemeindepräsident David Affentranger wies gleich zu Beginn darauf hin, dass es bei der heutigen Zusammenkunft um kein alltägliches Sachgeschäft gehe. Er zeigte nochmals kurz auf, wie es zur aktuellen Gemeindeversammlung gekommen ist: «Mitte April des letzten Jahres wurde die heute vorliegende Gemeindeinitia­tive in Form einer Anregung bei der Gemeindekanzlei eingereicht. Der Text wurde weiterentwickelt und am 10. Mai durch den Gemeinderat als gültig erklärt.» Stufengerecht umgesetzt wurde das Anliegen in Form eines Reglements, über das an der Versammlung nun abgestimmt werde.

Hugo Beck, Gemeinderat für Soziales, gab einen Überblick der Entwicklungen im Flüchtlingswesen seit Ausbruch des Kriegs in der Ukraine. Im Sommer 2022 erhielt die Gemeinde Hitzkirch 136 Flüchtlinge verbindlich zugewiesen. Wohnraum wurde bereitgestellt, wofür sich Beck nochmals bedankte. Zugleich werde aber bereitgestellter Wohnraum dem Immobilienmarkt für andere Verwendungen entzogen. Ende 2022 startete das Projekt um das Schulhaus Mosen, das sechs geflüchteten Familien à je sechs Personen ein Zuhause hätte geben sollen. Selbst wenn die Notlage in August 2023 aufgehoben wurde, sei die Flüchtlingslage auch aktuell weiterhin sehr angespannt.

Astrid Mühlebach äusserte sich einleitend ebenfalls vor den versammelten Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern. Es sei verrückt, dass sie und das Initiativkomitee soweit gehen mussten. Sie wies auf die aktuelle Nutzung des Schulhaus Mosen durch mehrere Vereine hin und stellte die Frage in den Raum: «Ist es richtig, dass wir weichen müssen? Dies, obwohl wir mit dem Restaurant Kreuz eine Alternative gefunden hätten?» Der Gemeinderat habe sich ihrer Ansicht nach zu wenig für diese Alternative bemüht und der Kanton habe bereits nach drei Tagen die Absage erteilt. Der Umbau des Schulhauses Mosen wurde auch nicht vorgenommen dank zwei Anwohnern und ihrer Einsprachen. Es kamen 480 gültige Unterschriften zusammen, um das Schulhaus in seiner jetzigen Verwendung als Vereinshaus zu retten. Mühlebach stellte den unterbreiteten Gegenvorschlag des Gemeinderats in Frage und sagte: «Ich wünschte mir von unserem Gemeinderat mehr Fingerspitzengefühl und dass er unsere Interessen stärker wahrnimmt.»

Gemeinderätin Rebekka Renz, Ressort Bildung, Kultur und Sport, hielt fest, dass die Wichtigkeit der Vereine für den Gemeinderat unbestritten sei. Deshalb werden die Vereine beispielsweise auch grosszügig finanziell unterstützt. Auch, indem kein Verein für die Infrastruktur etwas bezahle. Damit soll ein aktives Miteinander gefördert werden. Der Gemeinderat habe rechtliche und humanitäre Pflichten und versuche daher, beides in seinem Vorschlag zu kombinieren. Rebekka Renz betonte: «Mit unserem Vorschlag stellen wir erst dann Räume für Asyl- und Schutzsuchende zur Verfügung, wenn es keine Lösungen auf dem Immobilienmarkt gibt. Wir werfen nicht einfach Vereine raus.»

Anträge und Wortmeldungen
Raphael Felder, Co-Präsident Die Mitte Hitzkirch, stellte in der Folge den Antrag, den Gegenvorschlag des Gemeinderats zur Gemeindeinitiative zu ergänzen. So sollen Anlagen erst dann für Asyl- und Schutzsuchende eingesetzt werden können, wenn vorgängig alle geeigneten und verfügbaren Möglichkeiten, also zum Beispiel auch leerstehende Wohnungen, ausgeschöpft sind.

Der Gemeinderat hielt dem entgegen, dass es schwierig sei, «alle anderen Möglichkeiten» klar zu definieren, und wolle daher weiterhin an seiner Variante festhalten.

Es folgten weitere Wortmeldungen aus der Versammlung. Ein Moser störte sich, dass nie über die Bedürfnisse der Anwohner gesprochen werde, sondern stets die Erfüllung humanitärer Pflichten erwähnt werde. Für Anwohnende sei es sehr wohl ein Unterschied, ob geflüchtete Frauen und Kinder Schutz suchen, oder ob es zahlreiche junge Männer seien.

Stimmbürger Beat Müller machte sich für den Begriff der Solidarität stark und vertrat die Ansicht, dass eben nicht ein jeder einen direkten Nutzen aus einer Sachlage ziehen könne. Das Reglement sei ein guter Ansatz, aber sollte breiter und nicht nur auf den Asylbereich angewendet werden. Müller stellte auch die Logik des Gegenvorschlags in Frage und meinte, dass der Gemeinderat Betroffene anhören und dann entscheiden sollte. Auch sollten im Reglement nicht von Anlagen, sondern von Gebäuden die Rede sein.

Abstimmungen im Cup-System
Als Sitzungsleiter legte David Affentranger sodann die Reihenfolge der Abstimmungen fest. Aufgrund der eingereichten Anträge kam es zu mehreren Abstimmungen, die gemäss Affentranger einem «Cup-System» gleich kamen. Der Gemeindepräsident erläuterte das Vorgehen präzise, da er spätere Stimmrechtsbeschwerden vermeiden wollte.

Als erstes siegte der Gegenvorschlag des Gemeinderats gegenüber dem Antrag der Mitte äusserst knapp mit 64 zu 63 Stimmen. Dann folgten die Abstimmungen des Gegenvorschlags gegenüber der Variante des Stimmbürgers Müller, einmal mit, einmal ohne Gebäude. Erneut ging die Variante des Gemeinderats zweimal als Sieger hervor.

Dann folgte die Gegenüberstellung des Gegenvorschlags des Gemeinderats zur eigentlichen Fassung des Initiativkomitees, das heisst der Gemeinde­initiative. Hier obsiegte die Letztere mit 99 zu 67 Stimmen. Zuletzt wurde abgestimmt, ob überhaupt ein Reglement in Kraft treten soll. Diese Schlussabstimmung wurde befürwortet. Damit tritt per sofort das Gemeindereglement laut Variante des Initiativkomitees in Kraft. Damit dürfen Schul-, Sport- und Freizeitanlagen der Gemeinde nicht – und auch nicht vorübergehend – für die Unterbringung von Asyl- und Schutzsuchenden im Sinne des Asylgesetzes eingesetzt werden. Dies unter Vorbehalt der Requisitionen aufgrund von übergeordnetem Bundes- oder Kantonsrecht.

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